skopéō

Jahr ? - Entfernung

Jahr ? - Entfernung

In welchem Jahr wir uns befinden, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Nach den 1000 Jahren und der großen Abschlussprüfung hatten wir keine Lust mehr zu zählen. Wie könnte man besser die Ewigkeit einläuten als mit dem Zählen aufzuhören. Schließlich war das Einteilen der Zeit eigentlich nur eine Angewohnheit, weil wir die Ewigkeit nicht verstanden haben.

Nichtsdestotrotz weiß ich, dass die Abschlussprüfung schon einige Zeit her ist.
Unser Leben ist fantastisch. Anders kann ich es nicht beschreiben. Nach den Turbulenzen, die Satans kurzfristiger Freilassung mit sich brachte, sind wir alle wieder zur Ruhe gekommen und genießen die Liebe, die überall herrscht. Ich kenne keinen, der nicht glücklich ist. Fast keinen wohlgemerkt!

Letzte Woche ist etwas Unfassbares passiert. Nach der Anbetung gab es noch eine Bekanntmachung. Ein Mann wurde entfernt! Ganz plötzlich! Er stammte aus dem Norden. Wo genau das geschehen ist, hat man uns nicht gesagt. Einfach so aufgelöst hat er sich jedoch nicht. Die umliegenden Menschen hörten Jehovas Stimme aus dem Himmel, darunter auch seine Freunde; Familie hatte er noch keine. Es war eigentlich nur eine kurze Info, warum er nicht mehr im Paradies leben darf, und dann traf ihn auch schon ein Blitz und weg war er.

Ich schreibe das so flapsig, erschüttert bin ich dennoch. Wir alle hätten uns nie vorstellen können, dass so etwas jemals passiert. Wer könnte an diesem wunderbaren Leben etwas auszusetzen haben??? Wer könnte unserem Schöpfer nicht bis in alle Ewigkeit dankbar sein?

Alle Erdenbewohner wurden daraufhin informiert und das finde ich richtig gut. Es wird nicht unter den Teppich gekehrt, sondern wir erfahren die genauen Umstände. Außerdem entstehen so keine Gerüchte. Jehova schenkt uns sein Vertrauen und zeigt uns so immer wieder seine Liebe. Er hält solche Dinge nicht geheim und ich bin dankbar, dass Jehova so bedacht mit uns umgeht. So einen Schöpfer zu haben, rührt mich immer wieder.

Der Einfachheit halber nenne ich ihn Adam. Adam stammte aus der Zeit des damaligen Mittelalters. Spannend ist vor allem seine Vorgeschichte. Als König in einem der ehemaligen europäischen Länder war er es gewohnt, dass seine Worte nie infrage gestellt wurden. Leider verlor er auf dem Höhepunkt seiner Regentschaft seine Frau und zwei seiner Kinder an die Pest. Da er die Wahrheit im alten System nicht kennengelernt hatte, erhielt er eine zweite Chance und wurde auferweckt, ebenso seine Familie.

Daraus resultierte erst wesentlich später ein Problem; wahrscheinlich kamen hier jedoch mehrere Dinge zusammen.

Nach Adams Auferstehung war eigentlich alles gut. Er musste sich zwar daran gewöhnen wie ein Normalsterblicher behandelt zu werden, sprich er hatte nichts mehr zu sagen und musste selbst für sich sorgen. Dennoch verkraftete er dies ähnlich wie David und andere Könige. Es brauchte eine gewisse Eingewöhnungszeit und dann stimmte er einem Bibelkurs zu. Adam machte bald viele Fortschritte, ging ebenso predigen und freute sich auf die Auferstehung seiner Frau.

Als es dann soweit war und er sie und die Kinder in die Arme geschlossen hatte, dachte er sein Glück wäre perfekt. Für ihn war es klar, dass sie zu ihm gehörte. Doch seine Frau erklärte ihm nach einiger Zeit, dass ihre Ehe damals arrangiert worden sei und sie eigentlich nie etwas für ihn empfunden hatte. Das zu verkraften war ein harter Schlag für Adam, doch Jehova half ihm dabei und er war recht schnell wieder glücklich.

Da seine Frau in ihrer Zeit nie frei gewesen war, entschloss sie sich, generell erstmal nicht zu heiraten und stattdessen die Welt zu bereisen. Dies tat sie bis zur Abschlussprüfung. Nachdem Satan endgültig vernichtet war, lernte sie später jemanden kennen, einen recht großen Afrikaner; das genaue Gegenteil von ihrem Mann. Sie bauten sich ein schönes Haus und wollten heiraten.

Wie schon seit Jahrhunderten üblich, gab es in jeder Region einen besonderen Hirten. Wenn man Fragen hatte, konnte man diesen Hirten aufsuchen. Außerdem regelte er organisatorische Dinge. Diese Aufgabe sollte der Zukünftige von Adams ehemaliger Frau übernehmen und sie freuten sich sehr über ihre neue Zuteilung.

Adam hatte von den Plänen seiner Ex-Frau gehört und zog ebenfalls in diese Gegend. Und damit nahm das Unglück seinen Lauf. Zu akzeptieren, dass seine Ehe mit ihr durch den Tod geschieden wurde, war all die Jahrhunderte nicht das Problem. Doch seine ehemalige Frau nun mit einem anderen zu sehen, machte ihn immer wütender. Er hätte mit Jehova darüber sprechen können; das lehnte er ab. Er hätte umziehen können, doch er lehnte ab. Auch vertraute er sich niemandem an. Ein Freund von ihm, bemerkte die Tendenz seiner Gedanken und sprach ihn direkt darauf an. Adam wollte leider nicht auf seinen Rat hören und spielte seine negative Einstellung herunter.


Als dann die Hochzeit anstand und er nicht eingeladen war, rastete er innerlich aus. Dass ein Mensch in dieser Welt noch Eifersucht entwickeln konnte, war mir nicht bewusst. Zumindest hätte ich nie damit gerechnet. Denn eines war doch klar: es gab niemanden, der heiraten wollte und keinen passenden Partner gefunden hätte. Auch Adam hatte alle Möglichkeiten. Bedauerlicherweise entwickelte er die falschen Gefühle und ließ sich nicht helfen. Wie uns später mitgeteilt wurde, war er auch wütend auf den zukünftigen Mann seiner Ex-Frau. Er hatte eine Stellung inne, die seiner Meinung nach ihm zugestanden hätte. Eifersucht und Stolz waren eine tödliche Kombination und so traf er die Entscheidung, beide töten zu wollen. Und obwohl er ganz genau wusste, dass Jehova das niemals zulassen würde, schmiedete er seinen bösen Plan.

Auf dem Weg zur Hochzeitsgesellschaft verübte Jehova dann das Strafgericht an ihm.

 

Wir haben für heute Abend unsere Kinder und alle Enkel eingeladen. Es ist keine Familienfeier; eher ein Familientreffen, um wichtige Dinge zu besprechen. Natürlich konnten wir nicht alle unserer Nachkommen einladen. Wir sind nur mit Enkelkindern alleine jetzt schon um die 60 Personen… Ruppert und ich durften 5 wunderbare Kinder großziehen. Unsere Kinder haben ebenfalls meistens so viele Kinder gekriegt. Wenn wir noch die Urenkel eingeladen hätten, wären über 300 Personen zu Gast und auf so viele Menschen hatte ich heute einfach keine Lust. Dies machen wir lieber wieder zu einem fröhlicheren Anlass.

Viele hat das Thema mit dem Entfernten beschäftigt, jedoch nicht beunruhigt. Sorgen gibt es schließlich nicht mehr. Wir sind eher schockiert, da es uns auch für Jehova leid tut.

Dennoch wurde jedem Familienoberhaupt von Jehova geraten, sich mit seinen Nachkommen in Ruhe darüber zu unterhalten und darüber nachzusinnen, warum das passiert ist. Außerdem haben Ruppert und ich beschlossen, unseren Kindern und Kindeskindern zu verdeutlichen, warum sie es so guthaben. Leid und Tod kennen sie nicht bzw. haben sie nur in der großen Endprüfung gesehen. Wir möchten ihre Dankbarkeit Jehova gegenüber vergrößern und erfahren, wie sie über die Sache mit „Adam“ denken.

Allein deswegen konnten wir die Runde nicht allzu groß werden lassen. Glücklicherweise haben unsere Kinder circa erst im Alter von 100 Jahren Nachwuchs bekommen. Sie hatten es nicht so eilig. Auch die folgenden Generationen haben sich an dieses Schema gehalten. Dabei gab es keine Vorgabe, ab wann man wie viele Kinder zeugen darf.  Dennoch ist unser Familienstammbaum schon extrem groß und ich habe auch ein wenig den Überblick verloren, trotz meiner Vollkommenheit. Wir bestehen mittlerweile nun aus 10 Generationen und sind schon über - Ruppert hat vor kurzem mal gezählt – sage und schreibe 24 Millionen inklusive der Ehepartner. Den Kontakt zu den Enkeln, Urenkeln und Ururenkeln habe ich noch regelmäßig. Aber mehr lässt meine Zeit gar nicht zu. Auch wenn es schon so viele Nachkommen von uns gibt, sind viele der letzten Generationen eher wie Bekannte. Aber das finde ich nicht schlimm. Es ist eher schön zu wissen, dass sie alle da draußen sind und ein glückliches Leben führen.

Damals habe ich immer gedacht, dass das mit so vielen Menschen auf der Erde nicht möglich ist. Meine Vermutung war, Jehova würde die Erde proportional zum Universum wachsen lassen. Größe, Masse, Dichte, Abstände: alle relativen Verhältnisse blieben gleich, würden jedoch wachsen. So behielte die Erde den gleichen Abstand zur Sonne, die Sonne wäre größer und massereicher, genau wie die Erde, und die physikalischen Gesetze blieben ebenfalls dieselben, nur auf einer größeren Skala. So gäbe es auch kein Problem mit einer zu großen Schwerkraft und wir könnten genauso weiterleben. Ach, was war ich naiv…! In all den Jahren habe ich zu oft gemerkt, wie eingeschränkt wir Menschen denken. Jehova war natürlich schlauer und hat uns auf ehrfurchtsvolle Weise eine Lösung präsentiert, auf die wir nie gekommen wären. Sein Vorsatz, diese schier unendliche Zahl an Menschen die ersten 1000 Jahre im Paradies auf der Erde leben zu lassen, war für ihn kein Problem. Was Jehova sich vornimmt, gelingt! Für ihn gibt es einfach keine Hindernisse. Was für uns selbst mit einem vollkommenen Gehirn unvorstellbar erscheint, ist für Jehova nur ein Fingerschnipp.

 

Mittlerweile erkunden einige unserer Nachkommen neue Planeten und werden dort sesshaft. Jehova hat uns so viele Geschenke gemacht mit der wundervollen Erde und dennoch kam nach der Endprüfung das Privileg dazu, das Universum entdecken zu dürfen. Ich freue mich schon darauf, sie auf fremden Planeten zu besuchen…

 

Nach einem großen Picknick in unserem eigenen Park, kommen alle zusammen und legen ihre Decken nebeneinander. Wo vorher noch einige Grüppchen unter der großen Trauerweide und einige in der prallen Sonne köstlich gespeist haben, sitzen wir nun alle dicht an dicht, damit Ruppert und ich nicht so laut reden müssen. Wir haben einen großen Kreis gebildet und Ruppert wiederholt, was mit Adam passiert ist.

Zunächst fragt er in die Runde, wie es uns damit geht und ob jemand ihn vielleicht sogar kannte; doch das ist zum Glück nicht der Fall. Aurelia, unsere älteste Tochter stellt eine gute Frage: „Ich verstehe nicht, warum er so einen Besitzanspruch an seine Ex-Frau hatte. Es gibt doch genügend Frauen auf der Erde und Jehova hat jedem die Garantie gegeben, glücklich zu werden…“

Viele nicken und einer ihrer Neffen meldet sich zu Wort: „Tatsache ist, dass sein Vertrauen und seine Liebe zu Jehova stark abgenommen haben. Die Frage ist doch eher, war das auch schon vor der Endprüfung so? Gab es diese Tendenz schon? Warum wurde er dann nicht vernichtet?“ Manche werden nachdenklich.

„Nun, das ist doch eindeutig: Jehova kann ins Herz sehen und so wie er schon ausnahmslos in Harmagedon die richtige Entscheidung getroffen hat, war es in der Endprüfung genau so. „Adam“ war ja ein glücklicher Mensch, der Jehova treu gedient hat. Das Übel nahm nur seinen Lauf als er erfahren hatte, dass seine ehemalige Frau heiraten wollte. Und das war erst nach der Endprüfung!“, erklärt mein Mann.

„Stimmt“, schalte ich mich dazu. „Außerdem war hier nicht nur Eifersucht im Spiel. Wir haben doch die Information erhalten, dass er einer der großen Hirten werden wollte in seiner Region. Doch dieser Posten ging an seinen Konkurrenten. Er ist stolz geworden und ihr wisst, wer ebenso aus einem glücklichen Leben am Anfang der Welt ausgebrochen ist!“

Alle geben mir Recht und murmeln Satan.

Unser Sohn, Edmond, wendet ein: „Aber Adam wusste doch, dass Jehova ihn das nie durchführen lässt, den geplanten Mord meine ich! Wie kann jemand denn so dumm sein?“

„Wie war das denn mit Satan?“, stellt Ruppert eine Gegenfrage.

Edmond packt sich an die Stirn und nickt. „Natürlich, er wusste auch, dass er nicht gewinnen kann und dennoch hat ihn sein Hass auf Jehova so in die Irre geführt!“

„Was lernen wir daraus für uns? Was möchtet ihr euch aus dieser Sache mitnehmen?“, lenkt Ruppert das Gespräch auf seinen eigentlichen Zweck.

Enso, unser Enkelkind mit dem leider schlimmsten Vornamen, hat einen guten Vorsatz gefasst: „Ich möchte mit meinen Kindern und Enkelkindern nochmal darüber sprechen, wofür wir dankbar sein können. Wir dürfen dieses Leben nicht als selbstverständlich betrachten, noch haben wir ein Recht darauf. Es ist ein Geschenk unseres großartigen Gottes! Außer euch beiden“, dabei zeigt er auf Ruppert und mich, „sind wir alle im Paradies geboren. Eure Erzählungen aus der alten Welt waren zwar immer spannend und ich habe euch gern zugehört, dennoch konnte ich mir all das Leid nicht vorstellen, weil ich es nie gesehen habe. Erst zum Ende der 1000 Jahre habe ich böse Menschen gesehen und ich war so erschrocken wie noch nie in meinem Leben!“

Alle stimmen ihm zu und pflichten ihm mit ihren Gesten bei.

Aurora, unserer zweite Tochter, fällt etwas ein. „Könnt ihr euch noch an den hasserfüllten Mob erinnern, der uns töten wollte? Sie haben das Paradies jahrhundertelang mit eigenen Augen gesehen, dennoch wollten sie sich nicht nach Jehova richten, schon gar nicht ihn anbeten.“

„Genau, und wir haben doch zu Beginn noch versucht, ihnen zu helfen. Wir haben ihnen eindeutig anhand der alten und neuen Schriften erklärt, welches Ende es für sie nehmen wird, wenn sie sich nicht ändern!“, erinnert ihr Mann.

Ruppert fasst zusammen: „Daraus können wir immer wieder ableiten: Was Jehova beschließt, trifft zu 100% ein. Das Beispiel von Adam zeigt, dass so etwas wieder vorkommen kann. Auch, wenn es sich bei ihm um die erste und hoffentlich letzte Person gehandelt hat. Dennoch wollen wir alle unsere Familienmitglieder nochmal dafür sensibilisieren und es nicht für selbstverständlich nehmen, dass Jehova uns vor all diesen Jahren von Sünde und Tod befreit hat. Wir feiern zwar seit dem Ende der 1000 Jahre nicht mehr den Befreiungstag, dennoch ist es existenziell wichtig, uns immer wieder daran zu erinnern.“

„Dieses Leben ist ein Geschenk!“, ergänze ich und lächle meine Kinder und Enkelkinder an. Zwar mussten wir in der Endprüfung auch einen Verlust hinnehmen, weil eines unserer Urururenkel sich dem Widerstand angeschlossen hat, aber Jehova hat dafür gesorgt, dass es nicht wehtat. Denn Schmerz gibt es nicht mehr. Jehova, meinem Freund, sei Dank!

 

Installiere diese Seite als App für schnelleren Zugriff!